Ein Drahtseil (auch: Stahlseil) ist ein Seil, das aus Drähten. Die Drähte sind aus Metall, in der Regel aus Stahl.
Der Begriff Drahtseil bezeichnet fast immer ein sogenanntes geschlagenes Seil, bei dem die Drähte zu Litzen bzw. Kardeelen und diese zum Seil verdreht, also geschlagenwerden. Für spezie lle Verwendungen gibt es auch geflochtene Seile. Die Seile großer Hängebrücken bestehen dagegen aus vielen parallel liegenden, zusammen-gepressten Drähten. Dienen die Litzenseile oder Drähte zur Leitung von elektrischem Strom, werden sie Kabel genannt.
Die Verdrehung der Litzen ist die Voraussetzung, dass sich ein Drahtseil ohne zu brechen mehrmals biegen und wie etwa bei Seilrollen und den Seilscheiben von Seilbahnen überhaupt umlenken lässt. Denn beim Biegen des geschlagenen Seils verzwirbelt oder entzwirbelt sich je nach Biegerichtung die Verdrehung an dieser Stelle, das gesamte Seil wird geringfügig kürzer oder länger und steht unter zusätzlich erelastischer Zugbelastung oder Zugentlastung. Beim anschließenden zwangsgeführten Geradebiegen des Seils (nach der Umlenkrolle einer Seilbahn oder beim Abwickeln einer Seilrolle) wird die vorherige Verdrehung und Längenänderung wieder aufgehoben. Für beide Biegevorgänge (krumm biegen und wieder geradebiegen) ist Biegearbeit zur Überwindung der inneren Reibung der Litzen aneinander nötig.
Während Seile aus parallel liegenden Drähten älter sind und schon von Marc Seguin für seine ab 1823 gebauten Hängebrücken verwendet wurden, wurde das geschlagene Drahtseil 1834 von Oberbergrat Julius Albert in Clausthal erfunden. Die bis dahin im Oberharzer Bergbau verwendeten Ketten wurden durch die Belastungen des Auf- und Abrollens geschädigt und brachen immer wieder, mit zum Teil verheerenden Folgen. Um das totale Versagen der gesamten Kette beim Brechen nur eines einzelnen Gliedes zu verhindern, startete Albert Versuche mit einem Drahtseil. Es bestand aus drei Litzen zu je vier Drähten aus Schmiedeeisen von je 3,5 mm Durchmesser. Das Seil war im Gleichschlag (auch Albertschlag genannt) hergestellt. Erste Praxisversuche wurden erfolgreich im Februar 1834 in der Grube Caroline (Clausthal) durchgeführt.
Die Drähte, aus denen Drahtseile zusammengesetzt sind, bestehen im Normalfall aus unlegiertem Stahl mit einem hohen Kohlenstoffgehalt von 0,4 bis 0,9 %. Die sehr hohe Festigkeit der Drähte wird durch Kaltziehen erzeugt. Wegen der höheren Seillebensdauer werden meist Gleichschlagseile eingesetzt, bei denen sich die Drähte der Drahtlagen nicht kreuzen. Die Seile heißen Gleichschlagseile, wenn die Litzendrähte dieselbe Schlagrichtung haben wie die Litzen selbst, und sie heißen Kreuzschlagseile, wenn die Schlagrichtung entgegengesetzt ist.
Als Litzenseil oder Rundlitzenseil wird die einfache Form des Seils bezeichnet, bei der die außenliegenden Litzen sichtbar sind. Sie können blank, verzinkt oder mit verschiedenen Kunststoffen in unterschiedlichen Farben ummantelt sein. Seile mit der zusätzlichen Bezeichnung Seale haben Litzen aus einer Stahleinlage, einer Lage dünnerer und einer Lage dickerer Drähte. Warrington-Seale bezeichnet Seile mit einer Drahteinlage, zwei Lagen dünnerer Drähte und einer Lage dickerer Drähte. Handelsübliche Seile haben Durchmesser von 1,5 bis zu 60 mm.
Bezeichnungen wie 6×7 bedeuten, dass das Seil aus 6 Litzen mit jeweils 7 Drähten besteht. Ein 6×19 Standardseil hat demnach 6 Litzen, die aus jeweils 19 Drähten bestehen; ein 8×36 WS hat 8 Litzen mit je 36 Drähten in der Bauart Warrington-Seale. Buchstaben wie FC (fibre core) bezeichnen eine Fasereinlage, NFC eine Einlage aus Naturfasern, SFC eine aus Synthetikfasern und WC eine Stahleinlage. Nach ihrer Konstruktion (Aufbau) sind die Drahtseile nach DIN EN 12385 in Klassen aufgeteilt.
Außerdem sind darin die Seilgrößen definiert. Drahtseile werden in unterschiedlichen Größen und Arten zu den verschiedensten Zwecken verwendet, angefangen vom dünnen und biegsamen Zugseil für die Gangschaltung am Fahrrad, dem weniger biegsamen und stärkeren Bowdenzug für die Bremsen und den eher steifen Halterungen für Halogenleuchten, über Seile zur Bedienung medizinischer Untersuchungsgeräte, die Seilzüge für die Steuerung von Flugzeugen, besonders schwarze Seile für den Schnürboden von Theatern, über unterschiedliche Seile für Aufzüge und das Heben von Schleusentoren, für Winden, Bagger, Krane und Seilbahnen bis zu den Seilen für Schrägseilbrücken.