Brooklyn Bridge in New York
Drahtseile für herausragende Bauwerke
Ohne Drahtseile sind viele Handwerke und Technikbereiche nicht vorstellbar. Sie bestimmen, sichtbar oder unsichtbar, auch unser individuelles Leben, man denke nur an das Zugseil am Fahrrad für die Bedienung der Gangschaltung oder an die Saiten im Klavier oder an der Harfe. Die Vielfalt der Anwendungen ist kaum zu überblicken, doch gibt es einige herausragende Bauwerke, die ohne Drahtseile nicht hätten gebaut werden können. Auch hat der Begriff in Literatur und Film eine Bedeutung.
Der vollständige Artikel ist erschienen in STAHL+TECHNIK 1 (2019) Nr. 12, S. 100 ff.
Seit Urzeiten gab es Seile aus Pflanzenfasern, mit denen Lasten gezogen oder gehoben wurden (z.B. Seile für Kräne oder Treidelschiffe). Gleichwohl sind Metalldrähte aus Gold, Silber, Eisen oder Kupfer seit der römischen Antike bekannt. Das Wort ‚Draht’ lässt sich bis zum althochdeutschen ‚drâjan’ (drehen, winden) zurückverfolgen, was bereits auf die Verarbeitung des Metalls hinweist. Während Drähte aus Edelmetallen durchaus per Hand gezogen werden konnten, war dies bei Eisen, Stahl, Kupfer und entsprechenden Legierungen nicht mehr der Fall. Drähte wurden nach dem Vorschmieden durch Winden gezogen. Im 14. Jahrhundert wurde durch die in Nürnberg erfundene „Schocke“, eines zweiarmigen Winkelhebels, grober Draht gezogen. Der immer stärker werdende Bedarf an Drähten jeder Art (u.a. für Ketten, Ösen, Federn) führte zu einer stärker werdenden Mechanisierung des Ziehverfahrens, etwa durch Wasserkraft (mithilfe der Wassermühle), was bereits Anfang des 15. Jahrhunderts ebenfalls in Nürnberg gelang. Dafür gab es keine antiken Vorbilder. Drahtmühlen ermöglichten den starken Anstieg der Drahtwarenproduktion.
Automatischer Drahtzug
Um 1530 kam es in Nürnberg zur Erfindung des automatischen Drahtzuges mit sich selbst öffnenden und schließenden Festhaltezangen. Diese Technik wurde im Wesentlichen bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts beibehalten. Ab 1823 verwandte der französische Ingenieur Marc Seguin parallel liegende Drähte für seine Hängebrücken, die die bis dahin üblichen Kettenbrücken ablösten. Das geschlagene Drahtseil hingegen erfand Oberbergrat Julius Albert 1834, mit dem er die bis dahin im Bergbau verwendeten, leicht reißbaren Ketten ersetzte.
Die Herstellung kennt zwei Formen des Schlagens: In der Verseilmaschine werden die Drähte um einen Kerndraht geschlungen. Diese „Verseilung“ kommt durch den Zug bei gleichzeitiger Drehung der Drähte zustande. Das fertige mehrdrähtige Produkt heißt „Litze“. „Gleichschlagseile“ sind Seile, deren Litzendrähte sich nicht kreuzen, „Kreuzschlagseile“ sind Seile, deren Schlagrichtung entgegengesetzt ist. Im Normalfall bestehen Drahtseile aus unlegiertem Stahl mit hohem Kohlenstoffgehalt, die durch Profildrähte oder Kunststoffbeschichtungen nach außen abgedichtet werden können. Da Seile unterschiedlichsten Zwecken dienen, werden besondere Konstruktions- und Herstellungsmethoden angewandt, um den jeweiligen Anforderungen zu genügen.
Autor: Prof. Dr. Detlef Haberland, Bonn, Kultur-, Reise- und Technikhistoriker.
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Schlagworte
BauwerkDrahtDrahtseilMetallverarbeitung