Transformation der Stahlindustrie benötigt industriepolitische Unterstützung
Die hochkarätig besetzte Handelsblatt-Jahrestagung Zukunft Stahl fand am 4. und 5. Februar in Düsseldorf statt. Sie stand in diesem Jahr unter dem Motto „Grün ist die neue Effizienz“. Rund 150 Teilnehmer informierten sich in Vorträgen und Podiumsdiskussionen über den aktuellen Stand der Transformation in der Stahlbranche, die sich zwischen Klimawandel und politischen Rahmenbedingungen bewegt.
Der vollständige Artikel ist erschienen in STAHL+TECHNIK 2 (2020) Nr. 3, S. 72 ff.
Im Rahmen seines Eröffnungsvortrags forderte Hans Jürgen Kerkhoff, Präsident der Wirtschaftsvereinigung Stahl, die Politik auf, rasch für stabile industriepolitische Rahmenbedingungen zu sorgen. „Die Stahlindustrie in Deutschland sieht sich aktuell mit zahlreichen komplexen Herausforderungen konfrontiert und durchlebt konjunkturell äußerst schwierige Zeiten. Hinzu kommen politische Regulierungen, die die Stahlunternehmen zunehmend belasten. Auf einem solchen schwankenden Untergrund lassen sich erhebliche Klimaschutzinvestitionen kaum realisieren. Die Unternehmen wollen und können aber einen entscheidenden Beitrag in Richtung einer klimaneutralen Wirtschaft leisten. Hierfür muss die Politik nun verlässliche Rahmenbedingungen für eine CO2-arme Stahlproduktion auf den Weg bringen. Dazu gehört es einerseits, gezielte Anreize für die Transformation zu setzen und zum anderen Maßnahmen zu ergreifen, die die internationale Wettbewerbsfähigkeit der Industrie sicherstellen. Denn nur wenn es gelingt, Klimaschutz und Wettbewerbsfähigkeit in Einklang zu bringen, wird eine klimaneutrale Wirtschaft international Nachahmung finden.“
Von den 46 Maßnahmen der von der Von-der-Leyen-Kommission initiierten Initiative „European Green Deal“ seien laut H. J. Kerkhoff 21 bedeutend für die Stahlindustrie. Trotz der Transformationsanreize für die Stahlindustrie wird allein der Investitionsbedarf in der Primärstahlerzeugung 2030 bei rd. 6 Mrd. € liegen, 2050 wird er voraussichtlich rd. 30 Mrd. € betragen. Für die angestrebte, aber stromintensivere Stahlproduktion mit Wasserstoff besteht nach heutigem Stand ein Zusatzstrombedarf von rd. 130 TWh – die Stahlindustrie wird zukünftig ein großer Player innerhalb der neuen „Wasserstoffwirtschaft“. Durch die geplante Änderung beim CO2-Emissionsrechtehandel entstehen für die europäische Stahlindustrie enorme Mehrkosten von ca. 3,9 Mrd. €. Der Carbon-Leakage-Schutz müsse unbedingt verbessert werden, auch um im internationalen Wettbewerb Kostennachteile zu verhindern. Die bis 2030 zu erwartenden Zusatzkosten aufgrund des Kohleausstiegs bezifferte H. J. Kerkhoff mit rd. 250 Mio. €/Jahr. Für einen fairen Wettbewerb sei die Herstellung eines Level-Playing-Fields erforderlich. Man müsse den Klimaschutz und die Wettbewerbsfähigkeit in Einklang bringen. Alle Konzeptvorschläge der deutschen Stahlindustrie seien auch ein Angebot an die Politik.
Autoren: Ulrich Ratzek und Andreas Schwarz
Schlagworte
CO2-Emissionengrüner StahlKlimaschutzTransformationsprozess