Er war der größte seiner Art in der westlichen Welt, als er vor 50 Jahren seine erste „Reise“ antrat: der Hochofen „Schwelgern 1“ in Duisburg, den die damalige August-Thyssen-Hütte am 6. Februar 1973 feierlich in Betrieb nahm. Die Thyssen-Flagge wehte an diesem Februartag auf der Gicht, und mehr als 500 geladene Gäste aus Wirtschaft und Politik bestaunten den „schwarzen Riesen“, der mit einer Kapazität von 10.000 Tonnen Roheisen pro Tag heute immer noch zu den größten Hochöfen der Welt zählt und mit seiner 110 Meter hohen Silhouette das Gesicht von Duisburg-Marxloh prägt.
Der Bundeskanzler hieß Willy Brandt, es war das Jahr der Watergate-Affäre und der ersten Ölkrise, als „Schwelgern 1“ seine Arbeit aufnahm. Der Großhochofen setzte auf einer Fläche von 25 Fußballfeldern mit einem Gestelldurchmesser von 14 Metern und einem Volumen von 4.200 Kubikmetern neue Maßstäbe in Sachen Größe und Leistungsfähigkeit. Mehr als 70.000 Kubikmeter Beton und 38.000 Tonnen Stahl wurden im Hochofen verbaut – fast so viel, wie für vier Rheinbrücken nötig gewesen wären. Im Betrieb benötigt die Anlage täglich rund 20.000 Tonnen Erz, Sinter, Koks und Kohle – den Inhalt von 20 Güterzügen mit ebenso vielen Waggons.
Ein besonderes Augenmerk lag schon damals auf dem Umweltschutz. Ein Stab von mehr als 50 Chemikern und Konstrukteuren arbeitete am Ziel eines „blauen Himmels über Hamborn“. Obwohl auf die Anlagen für den Umweltschutz seinerzeit gut 15 Prozent der gesamten Baukosten entfielen, etwa zur Gasreinigung, zur Wasseraufbereitung und für den Schallschutz, sorgte „Schwelgern 1“ bei den Anwohnern anfangs für Unmut: Den „blauen Himmel über Hamborn“ sahen diese nur noch selten. Stattdessen klagten sie schon Tage nach dem ersten Anblasen über Krach, Staub und Gerüche – Probleme, die Thyssen jedoch mit Nachrüstungen in den Griff bekam. Seitdem wurde immer wieder massiv in die Verbesserung des Umweltschutzes, insbesondere in die Entstaubung, investiert. Und seit 2020 emittiert der Koloss dank eines innovativen Verfahrens, bei dem zusätzlich Sauerstoff eingeblasen wird, auch weniger Kohlendioxid als zuvor.
Dass der Hochofen „Schwelgern 1“ mehr als 50 Jahre laufen würde, konnte 1973 noch niemand ahnen.
Trotzdem bewies der damalige Hüttendirektor Dr. Hermann Brandi bei der feierlichen Einweihung erstaunlichen Weitblick. „Wir als Eisenhüttenleute rechnen auf Jahrzehnte hinaus mit dem Hochofen und dem Oxygenstahl-Konverter als kostengünstigem Produktionsweg – auch wenn sich gleichzeitig dem Direktreduktionsverfahren unter bestimmten Umständen günstige Chancen eröffnen“, betonte er in seiner Eröffnungsrede.
Wie von Brandi vorhergesagt, leistete der Hochofen Schwelgern 1 fünf Jahrzehnte lang zuverlässige Dienste. Jetzt, 50 Jahre später, ist thyssenkrupp Steel Europe auf dem Weg in eine neue, umweltfreundliche Ära der Stahlerzeugung – und setzt dabei auf die von Brandi erwähnte Direktreduktion.
Trotz des bevorstehenden Abschieds von der Hochofentechnologie wurde „Schwelgern 1“ 2021 für die Zeit der Überbrückung noch einmal auf den neusten Stand der Technik gebracht. Nach dreimonatigem Stillstand und der Investition eines mittleren zweistelligen Millionenbetrags schickte thyssenkrupp Steel den stählernen Koloss im Oktober 2021 mit einem herzlichen „Glückauf“ auf seine sechste und damit wohl letzte „Ofenreise“. Im Rahmen der Transformation zur klimaneutralen Stahlherstellung werden die kohlebasierten Hochöfen durch mit Wasserstoff betriebene Direktreduktionsanlagen abgelöst. thyssenkrupp Steel will den Auftrag für eine erste Anlage in Kürze vergeben. Dann wird auch der „schwarze Riese“ nach seiner letzten Reise in den wohlverdienten „Ruhestand“ gehen.
(Quelle: thyssenkrupp Steel)
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