Wirtschaft News Statement
Photo: pixabay
08.06.2021

Grenzabgabe fürs Klima

Vorschlag der EU schafft Probleme und nützt kaum

Prof. Gabriel Felbermayr, Präsident des IfW Kiel, kommentiert den bekannt gewordenen Vorschlag der EU-Kommission für einen CO2-Grenzausgleich:  

„Ein CO2-Grenzausgleich nach dem Vorschlag der EU-Kommission würde viele Probleme und Risiken schaffen, aber kaum etwas zum Klimaschutz beitragen. Es ist wichtig, dass die Diskussion um einen CO2-Grenzausgleich in Europa nun an Fahrt gewinnt. Für die Akzeptanz und Effektivität hoher CO2-Preise in Europa ist es notwendig, dass Emissionen nicht einfach aus der EU ins Ausland verlagert und CO2-intensive Güter vermehrt importiert werden. Doch sind die Formeln und Verfahren zur Bestimmung des CO2-Gehalts ausländischer Güter komplex und könnten zu Rechtsunsicherheit und Betrug führen. Zwar werden im Kommissionvorschlag die CO2-intensivsten Sektoren erfasst; dennoch ist der Beitrag zum globalen Klimaschutz gering: Der Anteil zusätzlich erfasster Emissionen am Weltausstoß liegt bei unter 1 Prozent des globalen Ausstoßes, und die notwendigen Pauschalierungen reduzieren Anreize zum Klimaschutz im Ausland. Und ob ein EU-Alleingang die notwendige internationale Koordination stärkt, ist höchst unsicher.

Der Vorschlag ist vermutlich konform mit den Regeln der Welthandelsorganisation. Dies ist zu begrüßen, hat aber zur Folge, dass Exporteuren die in der EU geleisteten CO2-Kosten nicht erstattet werden können. Damit erleiden sie in Ländern ohne CO2-Bepreisung einen Wettbewerbsnachteil. Eine Weiterführung der bisher praktizierten freien Zuteilung von Zertifikaten an EU-Produzenten ist in Kombination mit einem Grenzausgleich allerdings kaum vorstellbar, und der Entwurf der EU sieht explizit vor, die freie Vergabe durch den Grenzausgleich zu ersetzen. Bei der Behandlung der Exporte hat die Idee des Grenzausgleichs ihre wichtigste offene Flanke.

Zu begrüßen ist, dass die EU einem dringend benötigten „Klimaclub“ mit den wichtigsten Handelspartnern der EU – allen voran das Vereinigte Königreich und die USA – zumindest die Tür öffnet. Ein solcher Club umfasst Länder, die ein Mindestausmaß an Klimaschutz in Form von CO2-Preisen oder äquivalenter Regulierung betreiben und verzichtet zwischen diesen Ländern auf Grenzausgleichsmaßnahmen. Gegenüber Drittstaaten käme es hingegen zu einem harmonisierten Grenzausgleich. Die EU sieht immerhin vor, dass CO2-Preise im Ausland angerechnet werden und dass bilaterale Abkommen geschlossen werden können, die Länder vom Grenzausgleich ausnehmen. Dies schafft erste Anreize, eine zur EU vergleichbare CO2-Bepreisung einzuführen. Das Ziel muss sein, den bürokratischen und fehleranfälligen Grenzausgleich auf möglichst geringe Importvolumen anzuwenden und ihn als Baustein, nicht Stolperstein, zu einem effektiven globalen Klimaschutz zu gestalten.

Insgesamt besteht dennoch die Gefahr, dass der Nutzen des Grenzausgleichs geringer ist als seine Kosten und er Handelspartner eher verärgert. Besser wäre es, eine Einführung zunächst aufzuschieben und mit voller Kraft an einem Klimaclub zu arbeiten.

Der Entwurf zu einer CO2-Grenzausgleichsmechanismus der EU-Kommission sieht vor, dass in den Sektoren Zement, Stromerzeugung, Düngemittel und Stahl & Aluminium ab 2026 eine Nachbepreisung von Importen stattfinden soll, die sich in der Höhe am Preis der Emissionszertifikate in der EU orientieren soll. Dieser liegt aktuell bei circa 50 Euro. Ein solcher Mechanismus soll sicherstellen, dass Emissionen nicht in Länder verlagert werden, die keine oder sehr niedrige Emissionspreise haben, was die Effektivität der Klimaschutzanstrengungen der EU verringern und zu Arbeitsplatzverlusten führen könnte. Die Vorlage sieht vor, dass nur die Schweiz, Liechtenstein, Norwegen und Island ausgenommen werden sollen. Äquivalente Klimaschutzanstrengungen anderer Länder sollen allerdings angerechnet werden. Auf der Exportseite sieht der vorgeschlagene Mechanismus keine Maßnahmen vor.“

(Quelle: Institut für Weltwirtschaft an der Universität Kiel (IfW))

 

Schlagworte

CO2Institut für Weltwirtschaft an der Universität Kiel (IfW)Klima

Verwandte Artikel

20.12.2024

Peine Salzgitter erweitert Fuhrpark

Zwei Hybrid-Mehrsystemlokomotiven für Elektro- und Dieselbetrieb bedienen elektrifizierte sowie nichtelektrifizierte Strecken und verfügen in beiden Fällen über erhöhte L...

Antrieb CO2 Dekarbonisierung EU Flachstahl Gesellschaft Hybrid ING KI Klima Logistik Nachhaltigkeit Partnerschaft Salzgitter Salzgitter AG Salzgitter Flachstahl Salzgitter Flachstahl GmbH Schienen Service Stahl Strategie Transformation Transport Unternehmen Wirtschaft
Mehr erfahren
Fertiggerüst am Walzwerk in Dillingen
19.12.2024

Netto-Null-Ziele von SHS durch SBTi bestätigt

Die Validierung durch die Science Based Targets initiative (SBTi) bestätigt, dass die Ziele für die Gruppe im Einklang mit dem 1,5-Grad Ziel des Pariser Klimaabkommens st...

Bund CO2 Dekarbonisierung Dillinger EU Gesellschaft ING Klima Nachhaltigkeit Paris Saarstahl Saarstahl AG SHS Stahl Transformation Unternehmen
Mehr erfahren
Hochofenschlacke, ein Nebenprodukt der Stahlherstellung, ist ein wertvoller Sekundärrohstoff. Bild Honorarfrei verwendbar nur in engem redaktionellen Zusammenhang
17.12.2024

FEhS-Institut: Sekundärrohstoffe verbindlicher stärken

Die Bundesregierung hat die Nationale Kreislaufwirtschaftsstrategie beschlossen. Das FEhS – Institut für Baustoff-Forschung sieht darin einen zu verhaltenen Schritt zur S...

ABB Baustoffe Bund CO2 Deutschland Ergebnis Essen EU Forschung IBU Industrie ING Klima Kreislaufwirtschaft Messe Recycling Rohstoffe Schlacke Sekundärrohstoffe Stahl Stahlherstellung Stahlindustrie Strategie Umwelt Unternehmen USA Wirtschaft Wirtschaftsminister
Mehr erfahren
(von links:) Senator Jens Kerstan, Monika Boh (ArcelorMittal) und Michael Prinz (Hamburger Energiewerke) auf dem Werksgelände von ArcelorMittal Hamburg
14.12.2024

ArcelorMittal liefert Abwärme an Hamburger Energiewerke

Hamburger Stahlwerk liefert ab 2027 klimaneutrale Abwärme für den Energiepark Hafen. Während der Heizperiode beläuft sich die Menge auf jährlich mindestens 56 Gigawattstu...

Bund CO2 CO2-Emissionen Dekarbonisierung Deutschland Emissionen Energie Energiewende Essen EU Inbetriebnahme Industrie Klima Klimaschutz Lieferung Messe Produktion Recycling Stahl Stahlherstellung Stahlunternehmen Stahlwerk Umwelt Unternehmen Walzwerk Wirtschaft Zusammenarbeit
Mehr erfahren
12.12.2024

GMH Gruppe gewinnt German Design Award 2025

Die GMH Gruppe und die Agentur Coool wurden für ihre Zusammenarbeit an der neuen Online-Präsenz der GMH Gruppe mit dem renommierten German Design Award 2025 ausgezeichnet...

Auszeichnung Award CO2 Deutschland Entwicklung EU Industrie ING Klima Nachhaltigkeit Produktion Stahl Stahlindustrie Stahlproduktion Transformation Umwelt USA Webseite Wirtschaft Zusammenarbeit
Mehr erfahren