Technik
Der großformatige Versuchsaufbau der Hochschule München: Ermüdungstest von Stahlfachwerkbrückenteilen - Foto: Jakob Roth
26.02.2020

Langlebige Fachwerkbrücken aus Stahl einfacher bemessen

Forscher entwickeln einheitliche Vorgaben, um Materialermüdung zu berechnen

Stahl-Fachwerkbrücken sind materialsparende und langlebige Lösungen. In der Praxis fehlen aber bisher einheitliche Vorgaben für die Berechnung der Materialermüdung der geschweißten Knoten bei der Bemessung der Brücken. Prof. Dr. André Dürr vom Institut für Material- und Bauforschung (IMB) der Hochschule München entwickelt über Großbauteilversuche diese Berechnungsregeln für Bauingenieure.

Die Ausmaße der Versuchsanordnung sind immens: Stahlrohre von 18 m Länge mit einem Stahlknoten in der Mitte hängen in einer Konstruktion, welche die 15 t schweren Bauteile in Schwingung bringt. So wird die Belastung des Verkehrs für die Brückenkonstruktion simuliert. Zeigt sich unter der dynamischen Belastung ein Riss, wird seine Ausbreitung beobachtet und vermessen, bis das ganze Rohr durchbricht. Dieser so genannte Großbauteilversuch der Hochschule München in einem Labor in Kissing bei Augsburg soll Aufschluss darüber geben, inwiefern sich die Ergebnisse kleinformatiger Versuchsanordnungen hochrechnen lassen: „Wie verhalten sich geschweißte Knotenverbindungen von Fachwerkbrücken in großen Dimensionen, wenn ich etwas schlankere Rohre mit größeren Blechdicken verwende?“, lautete die Forschungsfrage von Prof. Dr. André Dürr, Professor für Stahlbau und Baustatik an der Hochschule München.

Stahl-Fachwerkbrücken international als nachhaltige Lösungen

Geringer Materialaufwand, schlankere Gestaltung, künftig kalkulierbare Materialermüdung und Reparaturfähigkeit: Trotz des größeren Fertigungsaufwands sind Stahl-Fachwerkbrücken in den skandinavischen Ländern, Frankreich oder den USA weit verbreitet. In Deutschland hingegen bedarf jede Einzelne – wie die Fußgängerbrücke über die Bayerstraße zur Theresienwiese oder die Autobahnbrücke nähe Lichtenfels über die A73 – noch einer aufwändigen behördlichen Zustimmung. „Ein Ziel in unserem Projekt war, eine Richtlinie für den deutschen Ausschuss für Stahlbau vorzubereiten, damit Bemessungsempfehlungen für die Planer und Ingenieure vorhanden sind, damit dieser Bauweise in Deutschland nichts mehr im Wege steht“, sagt Dürr.

Schwachstellen Schweißnähte bei steigender Verkehrsbelastung

Bei der heute favorisierten Fachwerkkonstruktion sind die mächtigen Stahlrohre, die Gurte, mit den schmäleren Streben direkt im Zick-Zack miteinander verschweißt. Der schwächste Punkt der so genannten K-Knoten sind die Schweißnähte im Übergang der Streben zum Gurt, welche bei den dynamischen Belastungen bei Brücken zuerst Risse bekommen. Die Verkehrsbelastung durch die zunehmende Verkehrsdichte und die gewachsene Zahl an LKWs schlägt sich in der Zahl der Lastwechsel und der Schwingbreite zwischen geringster und höchster Belastung, nieder.

In Dürrs Großbauteilversuch brachten Unwuchterreger an beiden Enden des langen Stahlrohrs die Konstruktion zum Vibrieren, dann in ihrer Eigenfrequenz zum Schwingen: „Das sind 12-30 Lastwechsel pro Sekunde, die wir zur Kontrolle mit einer High-Speed-Kamera aufgenommen haben,“ sagt Dürr zum Versuchsaufbau, der die reale Verkehrsbelastung nachstellt. Sein Forschungsergebnis: Der erste Riss konnte erst nach einer langen Versuchsdauer festgestellt werden. Der zunächst 4 cm große Riss am Gurt wuchs bis zum Versuchsende auf 41 cm recht langsam.

Risswachstum kalkulierbar machen

Dieses „gutmütige“ Risswachstum ist gewünscht, um Zeit zu gewinnen für das Beobachten und Reparieren von Riss und Brücke: „Die Konstruktion muss trotz des Risses noch drei bis sechs Jahre halten und darf nicht zum schlagartigen Versagen führen“, sagt der Forscher. Für die künftige Bemessung der Brücken auf die gängige Lebensdauer von 100 Jahren heißt das: „Wenn das Gurtrohr immer dicker wird, dann heißt das nicht: doppeltes Gurtrohr, doppelte Lebensdauer. Diesen fehlenden Größenfaktor konnten wir bestimmen und können künftig damit rechnen.“

Im nächsten Schritt sollen Regelungen für Stahl-Fachwerkbrücken in den Ausschuss für Stahlbau in Deutschland eingebracht, später auch in europäische Normen umgesetzt werden. Im nächsten geplanten Forschungsprojekt untersucht Dürr die Verwendung von modernem hochfestem Stahl für noch schlankere Brücken-Konstruktionen.

Hochschule München

Schlagworte

BrückenbauForschungInstandhaltung

Verwandte Artikel

Bei Gebirgsankern, die Felswände entlang von Verkehrswegen, Tunnelwände oder Abbauräume im Untertagebau sichern, kann ins Sicherungsnetz stürzendes Gesteinsmaterial zu Schäden im Anker führen. Bei der untersuchten, kaltumgeformten Legierung bewirkt diese Belastung eine erneute Verfestigung des Materials. Auch Verbindungselemente profitieren von diesem Effekt.
10.04.2025

Stahlguss: Kombination aus Festigkeit und Duktilität

Das Fraunhofer IWU und die TU Bergakademie Freiberg haben erfolgreich an der Stahlgusstechnologie geforscht. Sie haben einen kaltumformbaren, kupferlegierten austenitisch...

Automobil Bauwesen CO2 CO2-Emissionen Einsparung Emissionen Energie Entwicklung Entzundern Ergebnis EU Forschung Fraunhofer ING Innovation KI Massivumformung Messe Nachhaltigkeit Optimierung Produktion SHS Technik Temperatur Transformation TU Bergakademie Freiberg Umformung Walzen Warmwalzen Werkstoff Werkstoffe Wirtschaft
Mehr erfahren
Bunker zur Lagerung verschiedener Schrotte
09.04.2025

Tata Steel Nederland forscht an Stahlschrottanalyse

Eine Herausforderung stellt die Analyse und Sortierung großer Schrottteile, wie ausrangierte Schiffe oder Eisenbahnschienen, dar. Im Fokus der Entwicklung steht daher ein...

Anlagen CO2 Einsparung Energie Energieeffizienz Entwicklung EU Forschung Forschungsprojekt Fraunhofer Green Steel IMU Industrie ING KI Koks Kreislaufwirtschaft Lieferung Messung Optimierung Produktion Produktionsprozess Recycling Saarstahl Schienen Schrott Stahl Stahlindustrie Stahlproduktion Steuerung Transformation USA Voestalpine Wirtschaft
Mehr erfahren
Primetals Technologies installiert bei Jindal Stainless in Indien ein neues AOD-Konverterstahlwerk und eine Stranggießanlage
27.03.2025

Jindal Stainless vergibt Endabnahmezertifkat

Der Edelstahlhersteller Jindal Stainless Ltd. (JSL) erteilte Primetals Technologies das Endabnahmezertifikat (FAC) für eine neue Edelstahl-Produktionslinie am Standort Ja...

Anlagen Anpassung Antrieb Automatisierung Betonstahl Blech Bleche Bramme Coils Draht Edelstahl Endabnahme Energie Entstaubung EU HZ IBU Indien ING Instandhaltung KI Konverter Ltd Ltd. Modernisierung Optimierung Pfannenofen Primetals Produktion Prozessautomatisierung Prozessgase Prozessoptimierung Prozesssteuerung Reduktionsmittel Stahl Stahlerzeugung Steuerung Unternehmen USA Zertifikat
Mehr erfahren
Auf der Messe Coiltech wird thyssenkrupp Steel das CO2-reduzierte bluemint® Hochleistungs-Elektroband vorstellen
26.03.2025

thyssenkrupp Steel stellt neues Hochleistungs-Elektroband vor

thyssenkrupp Steel stellt CO₂-reduziertes Hochleistungs-Elektroband vor, das sich durch einen sehr niedrigen Ummagnetisierungsverlust und eine hohe mechanische Festigkeit...

Automobil BMW Bund CO2 Elektroband Energie Entwicklung Essen EU Forschung Forschungsprojekt HZ Industrie ING Innovation KI Klima Klimaschutz LED Lehrstuhl Messe Produktion Produktionsprozess RWTH RWTH Aachen Stahl Studie Thyssenkrupp Steel Europe Thyssenkrupp Steel Europe AG Transformation Umwelt USA Veranstaltung Werkstoff Werkstoffe Wirtschaft Zusammenarbeit
Mehr erfahren
25.03.2025

FEhS veröffentlicht Positionspapier zur Koalitionsbildung

Das FEhS-Institut fordert: Um die Kreislaufwirtschaft im Bauwesen zu stärken, natürliche Ressourcen zu schonen und das Klima zu schützen, muss im Koalitionsvertrag der Ei...

ABB Anlagen Anpassung Baustoffe Bauwesen Bund Deutschland Essen EU Forschung Handel HZ IBU Industrie Klima Kreislaufwirtschaft Regelwerk Rohstoffe Schlacke Sekundärbaustoffe Umwelt Unternehmen Wirtschaft
Mehr erfahren