Forschung
Photo: pixabay
02.07.2021

Künstliche Intelligenz analysiert komplexe Materialien

Max-Planck-Forscher präsentieren neues tiefenneuronales Netz zur Vorhersage des mechanischen Verhaltens von Materialien

Die Vorhersage des mechanischen Verhaltens aller Systeme, die uns umgeben, von Fahrzeugen und Raumschiffen bis hin zu Brücken und Wolkenkratzern, ist für Sicherheit und Design unerlässlich. Seit mehr als 300 Jahren wissen Wissenschaftler*innen, wie man die zugrundeliegende Physik in mathematische Formeln übersetzt. Dank des technologischen Fortschritts wurde eine riesige Sammlung von numerischen Werkzeugen und Methoden entwickelt, um die komplexen Gleichungen computergestützt zu lösen und korrekte Antworten zu verschiedenen mechanischen Problemen vorherzusagen. Das direkte Lösen dieser Gleichungen braucht aber Zeit und wird umso schwieriger, je komplexer das System ist. Deswegen sehen sich Forscher oft dazu gezwungen, Näherungen zu verwenden, anstatt alle Variablen des Systems zu berücksichtigen. Jetzt wurde ein großer Schritt in Richtung genauer und schneller Vorhersagen der Mechanik komplexer Materialien gemacht. Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Eisenforschung (MPIE) und DeepMetis, einem auf künstliche Intelligenz spezialisierten Unternehmen in Berlin, haben tiefe neuronale Netze eingesetzt, um lokale Spannungen in komplexen Materialien zu berechnen - und das bis zu 8300 Mal schneller als ein Standard-Rechensystem, sogenannte Solver, es tun würde. Ihre neuesten Ergebnisse veröffentlichten sie in der Zeitschrift „npj Computational Materials“.

„Unsere Arbeit zeigt, wie all diese Berechnungen durch maschinelles Lernen ersetzt werden können. Anstatt die Gleichungen direkt zu lösen, haben wir ein neuronales Netzwerk entwickelt, das die Physik erlernen und korrekte Antworten auf komplexe und nichtlineare Fragen der Mechanik vorhersagen kann, indem es sich einfach einen großen Datensatz ansieht.“, erklärt Dr. Jaber Rezaei Mianroodi, Leiter der MPIE-Gruppe „Computational Sustainable Metallurgy“ und Erstautor der Veröffentlichung.

Nachdem das neuronale Netz mit vorberechneten korrekten physikalischen Reaktionen trainiert wurde, ist es in der Lage, Lösungen für Probleme und Konfigurationen vorherzusagen, denen es während des Trainings nie begegnet ist. Ähnlich wie ein erfahrener Ingenieur, der ein Gespür für komplexe mechanische Probleme entwickelt und in der Lage ist, innerhalb von Sekunden fundierte Vermutungen anzustellen, lernt das Netzwerk die zugrunde liegende Physik und sagt Lösungen in Mikrosekunden vorher. Die Vorhersagen des Netzwerks sind trotz der Komplexität des Systems um Größenordnungen schneller als herkömmliche Solver. Im Gegensatz zu konventionellen Solvern, die einen iterativen (Versuch und Irrtum) Ansatz zur Lösung nichtlinearer Probleme erfordern, ist der trainierte maschinelle Solver nicht iterativ.

„Diese Methode kann die herkömmlichen Solver ersetzen und verbessert unser Verständnis von Multiskalen- und Multiphysik-Problemen. Unser Solver verbraucht um Größenordnungen weniger Rechenzeit, was neue Möglichkeiten für innovative Materialmodelle eröffnet. Die Einbeziehung unserer maschinellen Lerntechnik wird uns dabei helfen, die Modelle aussagekräftiger und realistischer zu machen, da sie die Optimierung noch komplizierterer Systeme ermöglicht.“, sagt Dr. Nima Siboni, Experte für künstliche Intelligenz bei DeepMetis und Alumni des MPIE.

Die Forscher werden nun die Flexibilität und den Umfang des maschinellen Lernansatzes erweitern, um noch genauere Vorhersagen zu treffen. Außerdem planen sie, weitere wichtige Gleichungen zu untersuchen, die mit herkömmlichen Methoden nur zeitaufwändig zu lösen wären.

Originalpublikation:
J. R. Mianroodi, N. H. Siboni, D. Raabe: Teaching solid mechanics to artificial intelligence – a fast solver for heterogeneous materials. In: npj Compu Mats, 10.1038/s41524-021-00571-z.

Autoren: J. R. Mianroodi, Y. Ahmed Salem

 

Anhand vieler vorberechneter korrekter Antworten lernt das neuronale Netz die versteckten Beziehungen zwischen den eingegebenen Daten und den Ergebnissen der Simulationen. Einmal trainiert, kann das neuronale Netz korrekte Lösungen in unbekannten Simulationskonfigurationen vorhersagen, und das in einem Bruchteil der Zeit, die für herkömmliche Berechnungen benötigt wird. Das ist genau das, was der neue Solver des MPIE macht. - Copyright: J. R. Mianroodi, Max-Planck-Institut für Eisenforschung GmbH
Copyright: J. R. Mianroodi, Max-Planck-Institut für Eisenforschung GmbH

Schlagworte

EisenforschungForschungKünstliche IntelligenzMax-Planck-InstitutMPIeTechnik

Verwandte Artikel

Präsentation auf der wire & Tube 2022 in Düsseldorf
17.01.2025

Wire und tube präsentieren sich in Mexiko

Mexiko ist ein großer Markt für die Draht- und Kabel-, die drahtverarbeitende und die Rohrindustrie sowie deren Zulieferer. Mit Spannung werden die Fachmessen wire Mexico...

Automobil Brasilien China Draht Energie Entwicklung Essen EU Forschung Getriebe Handel Industrie ING Japan Kanada Klima Messe Modernisierung Montage OECD Produktion Profile Rohre Stahl Stahlrohre Transport Tube Unternehmen USA Wettbewerb Wirtschaft
Mehr erfahren
Beide Unternehmen richten sich näher an die Kunden aus.
09.01.2025

SICK und Endress+Hauser starten Kooperation

Die Gasanalyse- und Durchflussmesstechnik von SICK ist nun integraler Bestandteil des Instrumentierungsportfolios von Endress+Hauser. Die Kooperation hat das Ziel, Kundin...

Anlagen Automation Automatisierung China CO2 DSV Entwicklung Erdgas EU Gasreinigung Gesellschaft IBU Industrie ING Innovation Kooperation Logistik Messtechnik Messung Partnerschaft Produktion Prozessautomatisierung Service Stahl Technik Transformation Umwelt Unternehmen USA Vereinbarung Vertrieb Wasserstoff Zusammenarbeit
Mehr erfahren
Outokumpu hat kürzlich ein bedeutendes Erweiterungsprojekt in seinem Bergwerk in Kemi, Finnland abgeschlossen. In den Jahren 2017–2023 hat das Unternehmen mehr als 280 Millionen Euro investiert, um die unterirdische Mine von 500 Metern auf 1.000 Meter Tiefe auszuweiten.
09.01.2025

Outokumpu meldet höhere Mineralreserven

Das finnische Edelstahlunternehmen hat seine Schätzungen zu den Mineralreserven und -ressourcen der Kemi-Chrommine in Finnland aktualisiert. Es berichtet von einem um 95...

ABB Chrom CO2 Edelstahl Energie EU Finnland ING Investition Nachhaltigkeit Produktion Stahl Stahlherstellung Stahlunternehmen Technik Unternehmen Verkauf Wirtschaft
Mehr erfahren
Hochofenschlacke, ein Nebenprodukt der Stahlherstellung, ist ein wertvoller Sekundärrohstoff. Bild Honorarfrei verwendbar nur in engem redaktionellen Zusammenhang
17.12.2024

FEhS-Institut: Sekundärrohstoffe verbindlicher stärken

Die Bundesregierung hat die Nationale Kreislaufwirtschaftsstrategie beschlossen. Das FEhS – Institut für Baustoff-Forschung sieht darin einen zu verhaltenen Schritt zur S...

ABB Baustoffe Bund CO2 Deutschland Ergebnis Essen EU Forschung IBU Industrie ING Klima Kreislaufwirtschaft Messe Recycling Rohstoffe Schlacke Sekundärrohstoffe Stahl Stahlherstellung Stahlindustrie Strategie Umwelt Unternehmen USA Wirtschaft Wirtschaftsminister
Mehr erfahren
Dr. Begona Santillana, Leiterin des Projekts bei Tata Steel
04.12.2024

Tata Steel Nederland und ESA forschen auf der ISS an Stählen

Tata Steel Nederland und die Europäische Weltraumorganisation (ESA) führen auf der Internationalen Raumstation (ISS) Experimente durch, um die thermophysikalischen Eigens...

Anlagen Energie Energiewende Entwicklung Ergebnis Essen EU Forschung Industrie ING Innovation Materialforschung Produktion Produktionsprozess Stahl Stahlproduktion Temperatur Transport USA Zusammenarbeit
Mehr erfahren