Ausblick auf das GMTN-Jahr 2023 mit Till Schreiter, CEO und President ABP Induction
Das Jahr 2023 wird im Zeichen der Leitmessen GMTN stehen, und sie werden die Megatrends unserer Zeit aufgreifen - dessen ist sich Till Schreiter, CEO und President bei ABP sicher. Welche Strategien er mit Blick auf Trends wie Dekarbonisierung, Digitalisierung und demographischer Wandel sieht, was er von der GIFA erwartet und wie sich die globalen Entwicklungen auf das Portfolio von ABP Induction auswirken, erläutert er im großen Interview zum Jahreswechsel.
Was sind aus Ihrer Sicht die Themen, die uns nicht nur heute, sondern auch in Zukunft beschäftigen werden?
Till Schreiter: Wir sehen gleich mehrere Megathemen, die uns treiben. Da ist die Dekarbonisierung mit den damit verbunden Themen wie Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft. Das ist ein großer Block, der uns in der produzierenden Industrie beschäftigt. Das wird getrieben durch die Digitalisierung – das ist das zweite große Thema. Dann sehe ich die Dezentralisierung oder auch De-Coupling – also die großen politischen Veränderungen, Stichwort China und Verlagerung der Produktion in verschiedene Regionen, um auch die wirtschaftliche Abhängigkeit zu verringern. Da spielen alle Verwerfungen wie Gefährdung von Lieferketten durch Handelskriege und Nationalismus mit hinein. An sich schon große Themen, die noch einmal befeuert worden sind durch die aktuelle Krise in der Ukraine. Dann denke ich noch an den demografischen Wandel, der zu einem eklatanten Mangel an Nachwuchskräften führt. Wir suchen nach Strategien, junge Leute für unsere Branche zu begeistern und das Wissen der Fachkräfte zu sichern.
Spielen aktuelle Entwicklungen wie die Krise in der Ukraine und in Russland da mit hinein?
Till Schreiter: Ja, insgesamt kann man sagen, dass sich bestimmte Entwicklungen und Themen durch den Einmarsch Russlands in die Ukraine beschleunigt haben. Ein großes Problem ist die Unsicherheit der Energieversorgung und der Energiepreise. Das ist ein europäisches Thema, und speziell aus deutscher Sicht führen die aktuellen Unsicherheiten dazu, dass zum einen Investitionen verschoben werden. Auf der anderen Seite sind die Gasspeicher voll, aber unter anderem auch deswegen, weil die Industrie teilweise weniger produziert hat. Weniger Produktion heißt auch weniger ausgelastete Anlagen im Kundenumfeld und damit natürlich auch weniger Service-Geschäft.
Wenn man der Energiekrise etwas Positives abgewinnen möchte, dann ist es die Bereitschaft, in Energiesparmaßnahmen zu investieren. Und da spielt dann auch die Digitalisierung mit hinein: Wie können wir es schaffen, dass wir mithilfe von intelligenten Algorithmen, künstlicher Intelligenz und der Auswertung von erhobenen Daten Anlagen effizienter betreiben können? Das soll auch dazu führen, im Produktionsprozess Energie einzusparen. Und das ist ja die grundsätzliche Antwort auf die Dekarbonisierung: Energie, die nicht benötigt wird, muss nicht ersetzt werden. Bei der Dekarbonisierung stellt sich natürlich immer die große Frage, was an Energien an welchem Ort auf der Welt zur Verfügung steht. Darauf gibt es keine einheitliche Antwort. Wir haben das Thema „Grüner Strom und Grüner Wasserstoff“ in der letzten Zeit intensiv diskutiert. Denken Sie nur an die immer noch fortwährende Diskussion um den Atomstrom und die Deklarierung des nuklearen Stroms als grünen Energieträger in der EU.
Viele europäische Länder setzen auf die Atomkraft und sind allein so schon weniger abhängig von den Gaspreisen und von der Verfügbarkeit regenerativer Energien. Wir haben in Deutschland im Jahre 2021 ungefähr 530 Terawattstunden Strom verbraucht. Wir produzieren rund die Hälfte davon durch grünen Strom. Wir brauchen aber noch mal 3000 Terrawattstunden an Energie, die nicht durch Strom gedeckt sind, die aktuell vor allem durch fossile Energien bestritten werden. Und die müssen dann wirklich durch grünen Wasserstoff oder durch grünen Strom ersetzt werden.
Das zeigt die Herausforderung, vor der wir stehen, insbesondere, wenn man bedenkt, dass Wasserstoff nicht in Massen zur Verfügung steht. Das heißt für uns, dass wir den grünen Strom direkt dort zum Einsatz bringen, wo wir ihn auch für den direkten Einsatz brauchen und ihn nicht dafür einsetzen, grünen Wasserstoff zu erzeugen, den wir dann wiederum dort einsetzen, wo wir auch direkt mit grünem Strom arbeiten können. Das trifft zum Beispiel für die Elektrifizierung des PKW-Verkehrs zu; Wasserstoff ist da eher für lange Distanzen anderer Transportmittel mit großen Lasten denkbar, vornehmlich sicher auch im Güterverkehr. Dieser Run auf den Wasserstoff spricht aber auch dafür, dass wir uns darauf fokussieren, in Prozessen alles zu elektrifizieren, was sich elektrifizieren lässt, anstatt große Offshore Windparks zu bauen, um dann diesen Strom zu nutzen, Wasserstoff zu produzieren für die Stahlindustrie. Das heißt konkret für die metallurgische Industrie, dass alles das, was mit Gas befeuert wird, durch Strom ersetzt werden müsste. Über die Hälfte des Gasverbrauchs in der Stahlherstellung wird dazu verwendet, Metall wieder zu erwärmen für Walzprozesse in jeglicher Art. Die Frage ist doch: Braucht man wirklich Gas und Wasserstoff in allen Prozessen oder kann man hier nicht Gas ersetzen, zum Beispiel durch Induktion? Da sehe ich ein großes Wachstumspotenzial, gerade auch für uns bei ABP, im metallverarbeitenden Bereich….
… der ja wie viele andere klassische Industrie-Branchen vom demografischen Wandel betroffen ist…
Till Schreiter: ...in der Tat, das beobachten wir in der Industrie an vielen Stellen. Wir müssen damit leben, dass die Industrie nicht immer die attraktivsten und saubersten Arbeitsplätze bietet, und auch nicht immer die angenehmsten Arbeitszeiten. Dementsprechend sehen wir für gewisse Tätigkeiten eine größere Fluktuation im Personalbestand, an der wir arbeiten müssen. Die große Frage dabei ist auch, wie Fachwissen erhalten werden kann. Es geht auch um Erfahrungswissen, dieses unbewusste Wissen, das sich über die Zeit gesammelt hat. Ein erfahrener Techniker spürt sozusagen durch sein Erfahrungswissen den Lösungsweg, derweil ein unerfahrener Kollege zunächst diverse Lösungswege durchdenken muss, um den passenden Schritt zu finden. Um das zu vereinfachen, werden wir intelligente Systeme benötigen, mit Wissensdatenbanken, vereinfachten Steuerungs- und besseren Trainingsmöglichkeiten, die dieses Wissen im Unternehmen halten oder immer wieder neu erzeugen. Auch hier spielt die Digitalisierung wieder eine entscheidende Rolle.
Bei ABP Induction bilden wir das über die virtuelle Akademie ab, in der am virtuellen Zwilling trainiert werden kann. Unsere Plattform myABP ist ein wesentlicher Hebel und unterstützt bei der Skill-Verwaltung, in der alles digital hinterlegt ist. Mitarbeiter können Handgriffe immer wieder trainieren und übrigens auch solche Situationen durchspielen, die im täglichen Leben so gar nicht erlebbar wären. Das ist wie das Prinzip des Flugsimulators, mit dem sich gefährliche Situationen sozusagen als Trockenübung durchspielen lassen.
Hier können Gefahrensituationen wie ein Metalldurchbruch, ein Wasserdurchbruch oder eine Brückenbildung simuliert werden – das lässt sich in der Realität aufgrund des Gefahrenpotenzials nicht trainieren. Trainierende Mitarbeiter erleben virtuell diese Gefahrensituationen und merken auch, was passiert, wenn Fehler gemacht werden. Dieses emotionale Lernen kann man in der virtuellen Welt erzeugen. Und dazu kommt: Mitarbeiter aus verschiedenen Teilen der Welt können gemeinsam in der virtuellen Lernumgebung trainieren und voneinander lernen. Sie sind vernetzt und lernen nach den gleichen Standards. Wissen kann in der weltweiten Organisation transferiert werden.
Sind das aus Ihrer Sicht dann auch die Leitthemen der GIFA 2023?
Till Schreiter: Zu diesen Themen werden wir auf den Messen GIFA, METEC, THERMPROCESS und NEWCAST sehr viele neue Ansätze sehen: Die Dekarbonisierung wird ein Leitthema sein, ebenso die Digitalisierung als Enabler. Ganz wichtig wird sein, dass nach den Corona-Restriktionen wieder ein Face-to-Face-Austausch möglich sein wird. Wir haben das schon auf den Messen in diesem Jahr erlebt: Der persönliche Austausch mit intensiven Diskussionen ist extrem wichtig, auch um Themen zu vertiefen, Meinungen auszutauschen und Ideen voran zu bringen. Deswegen erwarten wir einen großen Besucher-Zuspruch.
Was wird Sie neben diesen Megatrends bei ABP bewegen?
Till Schreiter: Wir werden Kompetenzverlagerungen innerhalb der Gruppe sehen. Wir werden Kompetenzen aufbauen, die so in dieser Art und Weise noch nicht vorhanden waren, und wir werden auch Volumenanpassungen durchführen. Ich denke beispielsweise, dass 2023 ein entscheidendes Jahr für unseren Ecoline sein wird. Hier stehen wir gerade am Anfang des Rollouts mit den üblichen kleinen Kinderkrankheiten, die anfallen, wenn ein vollkommen neues Produkt in den Markt gebracht wird. Aber: 2023 wird die EcoLine-Linie ein relevanter Teil unseres Geschäfts werden.
ABP Induction Systems GmbH
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44147 Dortmund
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(Hinweis: Alle Fotos von ABP Induction Systems GmbH)