Stahlverarbeitung
1. Preis: Studentenhaus Braunschweig. In der Reduktion auf ein Minimum an Vorgaben durch die Architektur erreicht das Gebäude ein Maximum an Möglichkeiten. - Bild: Iwan Baan Photography B.V. & Lemmart
16.10.2024

Die Preise des deutschen Stahlbautags 2024

In Lindau am Bodensee traf sich die Stahlbaubranche zum 41. Deutschen Stahlbautag. Ein Höhepunkt der Veranstaltung: die Vergabe von vier der fünf renommierten Branchenpreise. Der Festakt fand nicht in irgendeiner Halle statt, sondern an einem besonders prädestinierten Ort: Die Lindauer „Inselhalle“ war vor vier Jahren mit dem Sonderpreis des Bundesministeriums für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen BMWSB ausgezeichnet worden.

Hier fand am 26. September 2024 die Verleihung folgender Preise bzw. Auszeichnungen statt:

  • der „Preis des Deutschen Stahlbaues“
  • der „Ingenieurpreis des Deutschen Stahlbaues“
  • sowie der „Sonderpreis des BMWSB“.  

Der Förderpreis des Deutschen Stahlbaues mit dem DASt-Forschungspreis wurde schon im März 2024 im Rahmen des 24. DASt-Kolloquiums an der Technischen Universität München verliehen.

Bild: Iwan Baan Photography B.V. & Lemmart
1. Preis: Studentenhaus Braunschweig. In der Reduktion auf ein Minimum an Vorgaben durch die Architektur erreicht das Gebäude ein Maximum an Möglichkeiten. Bild: Iwan Baan Photography B.V. & Lemmart
Wo Stahl begeistert – Preis des Deutschen Stahlbaus

Der Preis des Deutschen Stahlbaus würdigt herausragende Bauwerke aus Stahl: Projekte aus den Kategorien Hoch- und Brückenbau, einschließlich aller Formen des Bauens im Bestand.

Dr. Jan Schmidt, Vorsitzender bauforumstahl e.V., gratulierte den Preisträgern, die die Jury – dem Leitbild der Nachhaltigkeit folgend – durch den materialgerechten Einsatz des Baustoffs Stahl, seine konstruktive Raffinesse, seine städtebauliche Einbindung und die architektonisch-gestalterische Qualität überzeugt hatten.  

Studierendenhaus Braunschweig

Da kam die Jury zu einem einstimmigen Urteil: Der erste Preis ging an die Berliner Architekten Gustav Düsing und Max Hacke. Sie hatten gemeinsam das Projekt „Studierendenhaus Braunschweig“ eingereicht. Der Neubau an der TU Braunschweig ist ein multifunktionaler Raum. Das zweigeschossige Gebäude ist ohne massive Wände ausgebildet und erlaubt eine flexible Nutzung.

Es bietet auf über 1.000 Quadratmeter Platz für 200 Arbeitsplätze. Das Primärtragwerk ist reversibel: Alle Bauteile sind leicht entfügbar und können nach der Lebenszeit des Gebäudes in gleicher oder variierter Kombination wieder bzw. weitergenutzt werden. Das Konzept basiert auf einer puristischen Architektur, die sich auf das Wesentlichste beschränkt: die Umrisslinien.

Das Haus bleibt wandlos, offen, transparent, flexibel. Es bietet zahlreiche Raum-Variationen und wird zur wandelbaren Basis für Ideen und Konzepte, denn längst arbeiten Studierende nicht mehr nur am Schreib- oder Zeichentisch, sondern sind digital und global vernetzt und können so ortsunabhängig studieren.  

Das Tragwerk

Das Primärtragwerk ist als Stahlkonstruktion mit einem regelmäßigen Stützenraster von 3,0 x 3,0 Meter konzipiert, das auf einer 25 Zentimeter dicken Bodenplatte und Einzelfundamenten gegründet ist. Die horizontale Gebäudeaussteifung erfolgt über schubsteife Tragwerksfelder, die durch Integration zug-/drucksteifer Diagonalen in Treppenwangen und geschlossenen Wandbereichen integriert sind.

Zusätzlich wird die Horizontalsteifigkeit des Systems durch die Einspannung der Stützen in die Fundierung erhöht: Die Kopfplattenstöße am Stützenfußpunkt sind über in Hülsenanker eingeschraubte Gewindestäbe auf die einbetonierten Auflagerelemente aufgesetzt. Die verschraubte, vorgespannte Fügung erleichtert und verkürzt die Montage und erlaubt eine einfache Demontage.

Alle Stützen und Träger sind mit identischem Querschnitt als quadratische Stahlhohlprofile 100 x 100 Millimeter einer Wandstärke von 10 Millimeter aus Stahl S355 ausgeführt und gelenkig miteinander verbunden. Leichte Brettsperrholzelemente (Lignotrend wegen optimaler Akustik) werden zwischen den Trägern eingesetzt.

Um die Biegebeanspruchung der Träger zu vereinheitlichen, sind die Lignotrend-Deckenelemente alternierend ausgerichtet. Aufgrund der daraus resultierenden gleichmäßigen Auslastung können Stützen und alle Träger mit identischen äußeren Querschnittsabmessungen ausgebildet werden. Als Dacheindeckung wurde ein materialeffizientes Stahltrapezblech gewählt.

Die Horizontalaussteifung erfolgte über eine liegende Verbandsebene, die oberhalb der Trapezblechhaut in den Dachaufbau integriert ist. Die Fügung der Stahlhohlprofile erfolgte durch eine innenliegende, vorgespannte Schraubverbindung.

Eine mit Senkkopfschrauben befestigte Deckplatte verschließt die unterseitige Montageöffnung. Zur Vereinfachung der konstruktiven Durchbildung der Anschlüsse wurden die Knotenpunkte in unterschiedliche Beanspruchungsgruppen unterteilt, um eine jeweils wirtschaftliche Ausführung für lokal variierende Beanspruchungen zu ermöglichen.  

Cradle-to-cradle

Prof. Jochen Schuster (schuster Architekten) hielt die Laudatio:
„Die Erwartungen, die man im Vorfeld an eine eingereichte Arbeit des Preisträgers des „Deutschen Stahlbaupreises“ hat, erfüllt das Projekt des Studierendenhauses in Braunschweig in überzeugender Art und Weise. Die Arbeit dokumentiert hervorragend, wie das Material Stahl zu einer qualitativ hochwertigen, leichten, stahlspezifischen Baugestalt geführt werden kann.

Bestechend ist, dass aktuelle Themen wie z.B. effizienter Einsatz von Ressourcen, Modularität, cradle to cradle, nicht nur wie selbstverständlich, spielerisch, ohne mahnenden Finger, in das Projekt integriert werden, sondern dass dies zugleich zu einer einzigartigen, wohltuenden Atmosphäre in allen Bereichen des Hauses führt.

Das Haus schafft über seine Materialisierung und Struktur eine unverwechselbare Arbeitswelt für die Studierenden, die inspirierend ist und die zeigt, dass auf die aktuellen Fragestellungen mit angemessenem Materialeinsatz, unaufgeregt geantwortet werden kann, ohne auf eine eigene, prägende Gestaltidee verzichten zu müssen.“

Bild: Guido Kaspar
Sonderpreis des BMWSB für die Seebühne in Allensbach am Bodensee. Die pergolaartige Tragstruktur des Daches ist nur im Bereich der Bühne gedeckt und schwebt förmlich über dem Bühnenboden. Bild: Guido Kaspar
Wenn eine Ministerin begeistert ist – Sonderpreis des BMWSB

Besonders nachhaltige und ressourceneffiziente Projekte werden zusätzlich mit dem „Sonderpreis des Bundesministeriums für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen (BMWSB)“ ausgezeichnet. 2020 ging der Preis an den Veranstaltungsort, die Inselhalle in Lindau, und 2024 ans andere Ende des Bodensees, den Gnadensee.

Der Preis ging an Helmut Hagmüller vom Büro „schaudt architekten gmbh“, ausgezeichnet wurde das Projekt: „Kultur am See – ein Ort für Bürger und Gäste“, eine Bühne am Bodenseeufer vor Allensbach.

Klara Geywitz, Bundesministerin für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen schickte begeisterte Grüße zur Preisverleihung:
„Stahlbauten können schnörkellos sein. Ein wunderbares Beispiel wurde dafür heute ausgezeichnet: die Seebühne in Allensbach am Gnadensee. Ich freue mich, dass wir mit dem Sonderpreis dazu beitragen können, dieses schöne und nachhaltige Baumaterial zu würdigen und zu fördern.“  

Kultur am See – ein Ort für Bürger und Gäste

Die neue Seebühne fügt sich als minimierte Bühnenkonstruktion aus Stahl und Glas in die Umgebung ein. Ihre Tragkonstruktion der Seegartenbühne wurde nach Abwägung der Vor- und Nachteile verschiedener Baumaterialien in nachhaltiger und wirtschaftlicher Stahlkonstruktion konzipiert. Das Projekt wurde 2021 auch mit dem Schweizer Stahlbaupreis Prix Acier ausgezeichnet.  

Für eine Konstruktion in Stahlbauweise sprachen viele Gründe: Stahl reduziert insgesamt den Materialeinsatz sowohl im Bauablauf als auch durch die hohe Tragfähigkeit beim Bauwerk selbst. Außerdem ermöglicht er eine schlanke, filigrane wirtschaftliche Konstruktion und durch Vorfertigung eine kurze Bauzeit bei höherer Effizienz.

Nachhaltig und wirtschaftlich

Er ist extrem haltbar und langlebig und schont dadurch maximal Ressourcen. Dank neuester Technologien kann Stahl mit minimiertem CO2-Ausstoß produziert werden und ist nach der Nutzungszeit durch Wiederverwendung für die Kreislaufwirtschaft optimal geeignet. Die Tragkonstruktion des Daches und die tragenden Stützen wurden nicht zusätzlich bekleidet und bilden somit das prägende Gestaltungselement der Bühne.

Auch die starren Wandglaselemente wie auch die optisch gleichen Schiebeelemente für die Bühnenrückwand im Veranstaltungsfall, die im Bühnenraum verstaut werden können, wurden in sichtbarer filigraner Stahlkonstruktion mit Glasfüllungen (Vogelschutzglas) ausgeführt.

Die Glasfüllungen geben im Konzertfall freien Blick auf den See und das traumhafte Landschaftspanorama. Im Bühnendach wurden im Trägerrost entsprechend Vorgaben des Bauakustikers konkav gekrümmte Metallsegel zur Schalllenkung eingehängt, die für ein optimales Hörerlebnis sorgen.  

Beitrag zu nachhaltiger Baukultur

Die Laudatio hielt Ulrich Brinkmann, Redakteur der Fachzeitschrift bauwelt:
„Eine Konzertbühne in einem Park direkt am See – das ist eine Bauaufgabe, für die sich im bürgerlichen Zeitalter eine eigene Typologie ausgebildet hat. In den meisten Fällen ist das Bemühen erkennbar, die Architektur so einzufügen, dass das Gesamterlebnis des Parks (…) im Vordergrund steht.

(…) Stahl als Baumaterial bietet sich dafür an, erlaubt er doch eine filigrane, feingliedrige Architektur, die sich zurücknimmt, mit ihrer Präzision aber auch eine Zutat von eigenem gestalterischen Wert ermöglicht.

Die Seebühne in Allensbach am Gnadensee aktualisiert die Bauaufgabe auf überzeugende Weise, indem sie (…) die derzeit viel diskutierten gesellschaftlichen Zusammenhänge und Hintergründe des Bauens – Stichworte Nachhaltigkeit, Wiederverwendbarkeit, Inklusion, Nutzungsoffenheit – zusammenklingen lässt.

(…) Ein 'schnörkelloser Beitrag für eine nachhaltige Baukultur', wie die Planer selbst schreiben, ein großer Auftritt für das Bauen mit Stahl im Hier und Jetzt.“

Bild: Jeff Mace
1. Preis in der Kategorie Hochbau: Common Sky in Buffalo/USA. Ein geschwungenes, schalenförmiges Dach in den Abmessungen 30x30 Meter überspannt den zuvor offenen Innenhof des Kunstmuseums. Das Stahltragwerk besteht aus Dreiecken und Hexagonen und ist alternierend mit Spiegelflächen versehen. Bild: Jeff Mace
Weil Konstruktion begeistert – Ingenieurpreis Kategorie Hochbau

Der renommierte Ingenieurpreis des Deutschen Stahlbaues rückt die Leistungen der Ingenieure beim Erstellen von Bauwerken in den Fokus.

Er würdigt herausragende Bauwerke und ihre Konstruktion und die dabei erbrachten Ingenieurleistungen für Lösungen mit Stahl. Der Preis wird in den beiden Kategorien Hochbau und Brückenbau vergeben.  

Dr. Jan Schmidt, Vorsitzender des bauforumstahl e.V., übergab den Ingenieurpreis des Deutschen Stahlbaus in der Kategorie Hochbau an Dipl.-Ing. (FH) Herwig Bretis von der ArtEngineering GmbH (Schorndorf) für das Projekt „Common Sky“. Das Buffalo AKG Art Museum im Delaware Park der Stadt Buffalo im Bundesstaat New York zählt zu den herausragenden Ausstellungsorten zeitgenössischer Kunst der USA.

Hier war ein zuvor offener Innenhof neu zu gestalten und zu überdachen. Das Studio Other Spaces entwickelte ein dreidimensionales Tragsystem, dessen Struktur von einem einzigen Anker dezentral im Raum gehalten wird. In Absprache mit der Denkmalbehörde wurden horizontale und vertikale Elemente im Entwurf bewusst vermieden.  

Dach als Schalenkonstruktion

Das Dach fungiert als Schalenkonstruktion und besteht aus drei tragenden Hauptelementen: einem umlaufenden Ringbalken, einer Gitterkonstruktion aus schlanken Hohlprofilen, die den größten Teil des Daches überspannt, und einem sogenannten Trichter.

Der umlaufende Ringbalken ist im Wesentlichen ein Fachwerk, das entlang der Umrisse des Innenhofs verläuft. Er besteht aus Rundrohren und neigt sich stark zur Außenseite hin. Der Fachwerkträger sorgt für die nötige Steifigkeit, um die horizontalen Bogenschubkräfte zu stützen und auszugleichen.

Dies war notwendig, weil die vorhandenen Stützen des Galeriegebäudes von 1962 einschließlich ihrer Fundamente den erheblichen Seitenkräften nicht standhalten konnten. Eine Verstärkung der ursprünglichen Konstruktionsteile zur Aufnahme der Schubkräfte aber hätte das Projekt aufgrund des Denkmalschutzes unmöglich gemacht.

Vom Außengurt des Fachwerkträgers kragen T-förmig Träger aus, die den Dachumriss um ca. 1 Meter über das vorhandene Flachdach vergrößern. Die Gitterkonstruktion der Schale besteht aus Stahlhohlprofilen, die in zwei Ebenen (außen und innen) angeordnet und durch vertikale Verbindungen miteinander verbunden sind. Der durchschnittliche Abstand zwischen den beiden Ebenen beträgt 560 mm und bildet das Haupttragwerk des Daches.

Mehr Möglichkeiten der Kraftübertragung

Die Maschen einer Ebene sind in der Nähe des Fachwerkes und des Trichters dreieckig angeordnet, während die einzelnen Knotenpunkte der Dreiecke dazwischen herausgelöst sind und sechseckige Rahmen bilden. Dadurch wird der Fluss der in der Ebene wirkenden Kräfte unterbrochen, und es entstehen zusätzliche Biege- und Scherkräfte, aber auch ein aufgelöster Knoten mit mehr Möglichkeiten zur Kraftübertragung.

Die Verbindung der beiden Schichten durch Glieder erhöht die Integrität und Schlankheit der Struktur erheblich. Die Lastübertragung zwischen den beiden Schalenebenen basiert auf dem Vierendeel-Prinzip, das durch die Steifigkeit der Knoten bestimmt wird. Dieses Gesamtprinzip der beiden Tragwerksebenen erstreckt sich bis zum Trichter.

Dieser ist starr mit dem Fundament verbunden und fungiert als zentrales Aussteifungselement gegen laterale Lasten. Der Fachwerkträger liegt auf 15 Stützen des bestehenden Gebäudes auf und ist in erster Linie für die Übertragung der vertikalen Lasten verantwortlich. Gleitende Kalottenlager stellen sicher, dass nur Horizontalkräfte aus der Lagerreibung in den Bestand eingeleitet werden.

Die Dachhaut besteht aus 700 m² individuellen dreieckigen Isolierglasscheiben, die über Structural Silicone-Verbindung mit den Metallbaueilen verbunden sind.

Die sechseckigen Flächen wurden mit gedämmten Sandwichpaneelen mit Edelstahlverkleidung eingedeckt. Die innere Scheibe jedes zweiten Dreiecks ist mit einer Chrombeschichtung bedampft und bildet einen Spiegel, der nach unten reflektiert. In der unteren Tragwerksebene befindet sich in jedem anderen zweiten Dreieck ein Akustikpaneel, dass beidseitig mit einer Spiegelfolie überzogen ist.  

Symbol für die Verbindung von Kunst und Technik

Aus der Laudatio von Thorsten Evenkamp, Managing Partner, fronTEK GmbH:
"Dieses technische Meisterwerk spiegelt nicht nur die Vision einer modernen, integrativen Kunstinstitution wider, sondern setzt auch neue Maßstäbe in der Architektur und Ingenieurkunst. Die technische Umsetzung des Projekts ist ebenso atemberaubend wie die ästhetische Vision dahinter. Common Sky überspannt den Innenhof des Museums mit einer freitragenden Dachkonstruktion, die sowohl durch ihre Form als auch durch ihre Funktion besticht.

Die Struktur ist nicht einfach nur ein Schutz vor den Elementen – sie transformiert den Raum und die Art, wie wir ihn erleben. (…) Die gesamte Stahlstruktur wurde mit größter Präzision entwickelt und gefertigt. In Deutschland gebaut, wurde sie für den Transport nach Buffalo in Segmente zerlegt und vor Ort wieder zusammengesetzt. Dies erforderte höchste Ingenieurskunst und logistische Meisterleistungen, um sicherzustellen, dass jedes Detail perfekt passt.

Auch in der Bauphysik wurden innovative Lösungen gefunden, wie etwa die Verwendung von isolierenden Dreiecksglasscheiben und gedämmten Sandwichpaneelen, die sowohl funktional als auch ästhetisch überzeugen. (...) Common Sky ist mehr als nur ein Dach – es ist ein Symbol für die Verbindung von Kunst und Technik, das zeigt, wie wir durch kreative Ingenieurskunst die Welt um uns herum verändern können."

Bild: Benno Schulz Fotografie
1. Preis in der Kategorie Brückenbau: Dahlkebrücke in Gütersloh. Die etwa 200 m lange Brücke ist im Sommer und Winter starken Temperaturschwankungen ausgesetzt. Aufgrund der monolithischen Bauweise der Stahlkonstruktion können dabei große Kräfte entstehen, wenn die freie Dehnung behindert ist. Aus diesem Grund wurde ein Lagerkonzept entwickelt, bei dem Führungslager strahlenförmig zu einem fiktiven Fixpunkt in der Mitte der Brücke ausgerichtet werden. Bild: Benno Schulz Fotografie
Wo Ingenieurleistung begeistert – Preis in der Kategorie Brückenbau

In der Kategorie Brückenbau wurde der erste Preis der Fußgängerbücke über die Dahlke in Gütersloh zuerkannt. Dr. Jan Schmidt überreichte den Preis an Prof. Dr. -Ing. Martin Speth und Prof. Dipl.-Ing. Helmut Drewes von Drewes & Speth beratende Ingenieure – in Anwesenheit des Architekten Peter Carl.  

Die Dalkepromenade in Gütersloh bildet als Fuß- und Radwegeverbindung entlang der Dalke eine wichtige Verbindung zwischen dem historischen Stadtkern und dem westlich an die Stadt angrenzenden Landschaftsraum. Durch die Sperrung und den Abriss der 2018 als nicht mehr sanierungsfähig eingestuften Fußgängerbrücke über die Bundesstraße 61 wurde diese Wegeverbindung kurzfristig unterbrochen.

Dahlkebrücke – Fußgängerbrücke Gütersloh

Der anschließend ausgeschriebene Wettbewerb zur Entwicklung eines Ersatzneubaus bot die Chance, eine barrierefreie Verbindung in Form eines innovativen Stahl-Tragwerks von West nach Ost zu schaffen und den umliegenden Landschaftsraum neu zu gestalten.    

Zur Entwicklung einer möglichst schlanken Lösung für das Tragwerk wurde der Ansatz gewählt, alle Elemente der Brücke tragend auszubilden: Vom Überbau bis hin zum notwendigen Geländer sind alle Bauteile integraler Bestandteil des Primärtragwerks. Dem Prinzip „Alles trägt, aber nichts trägt nur“ getreu übernimmt das Tragwerk aber nicht nur die Aufgabe des Tragens, sondern gleichermaßen die Gestaltung sowie die Gewährleistung der Funktionalität der Brücke.

Alle Elemente tragend

Als Durchlaufsystem über insgesamt neun Felder mit Spannweiten von 14,55 m bis 30,00 m und im Grundriss gekrümmter Form hat die Brücke eine Gesamtlänge von 200,70 m. Dazu kam im Zuge der geänderten Wegeführung eine kurze Brücke im Osten des Weges, die nach dem gleichen Prinzip entwickelt wurde und bei einer Spannweite von 17,0 m einen parallelogrammförmigen Grundriss hat.

Der Querschnitt ist als Trogquerschnitt mit einer Gesamthöhe von 1,57 m ausgeführt, bei dem die absturzsichernden Geländer die Stege bilden. Wo jedoch gewöhnlich opake Stegbleche mit angeschweißten, flachen Obergurten das Bild dominieren, kommen hier 40 mm starke Bleche zum Einsatz, aus denen das gesamte Geländer mitsamt der Gurte geschnitten wurde.

Der Zuschnitt erlaubt ein hohes Maß an Transparenz und eine optimierte Materialausnutzung, die sich in einem feinen Muster aus vertikalen Streifen manifestiert. Das vertikale Pfostenmuster wird mit einem horizontalen Band an spielerisch undulierenden Kurven überlagert, deren Verlauf den Kraftfluss im Bauwerk für die Nutzer anschaulich abbildet.

Ein torsionssteifer Hohlkasten mit einer Höhe von 20 cm bildet als Untergurt des Trogquerschnitts zugleich die Gehwegplatte.  

Minimalistischer Ansatz

Die Haupttragelemente kommen ohne Verbindungsmittel wie Schrauben oder Schweißen aus, was zu einem minimalistischen, aufgeräumten und eleganten Ergebnis führt. Der Einsatz von wetterfestem Stahl und der Verzicht auf Korrosionsschutz unterstreichen den minimalistischen Ansatz der Konstruktion.

Laudator Bart Halaczek, Director Knight Architects (London), erklärt:
„Die Dahlkebrücke in Gütersloh beeindruckt durch ihre ausgewogene Kombination aus intelligentem Engineering, effizienter Materialnutzung, niedrigem Instandhaltungsaufwand und ansprechendem Design. Technisch überzeugt der Steg durch den cleveren Einsatz von Materialien. (…) Die Materialstärke und die Krümmung der Geländerplatten sorgen für ausreichende Knickaussteifung, sodass zusätzliche Verstärkungen der Obergurte nicht notwendig sind.

Dabei ist es bemerkenswert, dass die Stabilitätsnachweise mit dieser neuartigen Form entsprechend geführt wurden. Architektonisch besticht die Brücke durch die konsequente Kombination von Tragwerk, Funktion und Ornament, wodurch ein attraktives und dauerhaftes Infrastrukturbauwerk mit hohem Wiedererkennungswert entstand.“

(Quelle: bauforumstahl)